Seit der zweiten Nacht nach der Geburt meiner Tochter stellte ich mir oft die Frage, warum das Einschlafen so schwer zu sein scheint. Die ersten Tage, Wochen, Monate und Jahre war das Einschlafen meiner Tochter eines der Hauptthemen, die mich beschäftigten. Es gab kaum einen Tag an dem es leicht war, dass sie Einschlafen konnte. Stundenlang trugen wir sie umher. Das gesamte erste Jahr schlief sie ausschliesslich beim Umhertragen ein - egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit und egal wie lange das Einschlafen dauerte. Doch tragen allein half oft nicht. Ich probierte alles aus. Wir sangen, tanzten, spazierten umher, stiegen Treppen, hörten Musik und sobald es so schien, als hätten wir einen Weg gefunden, dass meine Tochter einschlafen konnte, wurde es wieder anders und das Probieren begann von Neuem. Es dauerte teilweise Stunden bis sie in den Schlaf fand. Nach einer völligen Erschöpfung meinerseits und ihrerseits gelang es uns irgendwann immer in den Schlaf zu finden, doch der Weg war mühsam und schwer.
Ich verstand nie recht, was es war. Alles in unserem Alltag war darauf aus- und eingerichtet, dass das Einschlafen womöglich gut klappen könnte. Mit "Gut klappen" meine ich Einschlafen ohne grosse Schwierigkeiten, ohne viel Tam Tam und ohne dass ich an meine Grenzen stiess. Und jedes Mal schien es wieder nicht zu klappen und jedes Mal war ich verzweifelter. Nach ein paar Gesprächen ging es mir meist wieder besser, bis wir wieder eine besonders anstrengende Einschlafwoche hinter uns hatten. Bis ich einen Rat bekam, den ich bis dahin öfter hörte, doch nie recht an mich heran liess.
Es war der Beginn des Wandels und eine neu gewonnen Leichtigkeit. Ich begann die Situation hinzunehmen und anzunehmen wie sie war. Egal wie das Einschlafen begann, ich liess alles los, was ich an Vorstellungen vom Einschlafen hatte. Ich liess los, dass ich dachte, dass sie irgendwann beginnen muss, allein einzuschlafen. Ich liess mir keinen Druck mehr machen von Fragen, ob das Schlafen und Einschlafen inzwischen funktionierte. Ich ignorierte sämtliche Augenrollen von anderen, wenn ich berichtete, dass meine 2 Jahre alte Tochter nur auf meinem Arm einschlafen konnte. Und vor allem liess ich los, dass ich am Abend noch etwas vor hatte, ob es sich dabei um ein Gespräch handelte, ein Video das ich sehen wollte oder einen Text, den ich unbedingt schreiben oder lesen wollte. Egal was es war, ich liess alle Erwartungen und Vorstellungen los, wie und warum das Einschlafen funktionieren musste. Ich war nur noch in dem Moment. Ich war für sie da. Wenn sie wollte, dass ich sang, sang ich. Wenn sie wollte, dass ich sie streichelte, streichelte ich sie. Wenn ich still sein sollte, war ich still. Wenn sie in meinen Armen liegen wollte, um einzuschlafen, liess ich sie in meinem Arm einschlafen. Und sie schlief ein.
Anfangs viel es mir noch etwas schwer jeden Abend diese Gelassenheit und Ruhe zu haben, um mich einfach im Moment fallen zu lassen. Doch mit der Zeit wurde ich besser. Ich konnte immer besser zu lassen, dass sie mich brauchte und ich konnte immer mehr von meinen Vorstellungen über das Einschlafen loslassen. Und doch kehrte ich jeden Abend wieder in diesen Moment des Einschlafens zurück. Ich tauchte ein in diese besondere Zeit mit meiner Tochter und ich begann zu geniessen, was mir so lang als eine Qual vorkam. Es ging nicht mehr darum, dass sie besonders schnell oder mehr und mehr losgelöst von mir einschlafen sollte.
Eine für mich bemerkenswerte Situation war eine Situation, die mich oft schnell unter Druck gesetzt hatte, wodurch ich meine Tochter ungewollt unter Druck setzte. Meine Tochter war auf dem Weg nach Hause in einem vollen Auto eingeschlafen. Wir hatten sie nach oben getragen und sie ins Bett gelegt ohne das sie davon etwas mitbekommen hatte. In der Zwischenzeit waren unsere Übernachtungsgäste gekommen, als meine Tochter wach wurde und bitterlich weinte. Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich tun sollte und warum sie weinte, bis ich mich ganz in den Moment fallen liess. Alles um uns herum wurde unwichtig. Ich sah nur uns und die Situation ohne Erwartungen - ohne Vorstellungen. Ich kam ganz bei ihr und ihrem Problem an. Ich öffnete mich ihr gegenüber und hörte ihr zu. Schnell verstand ich, worum es ging. Sie war eingeschlafen im leicht beleuchtetem Auto, umgeben von 4 Personen und wurde wach im relativ dunklen Schlafzimmer und war allein. Sie wusste nicht, wie es dazu kam. Also erzählte ich ihr von unserem Abend. Ich erzählte ihr, dass wir die anderen heimgefahren hatten bis wir heimgefahren wurden und dass ich sie nach oben getragen hatte und sie ins Bett gelegt hatte. Für sie schloss sich nun die Lücke der Geschichte und sie schlief sofort wieder ein.
Früher hatten mich diese Situationen völlig aus dem Konzept gebracht. Ich bin nervös geworden und wollte nur, dass sie schnell wieder einschlief und aufhörte zu weinen. Ich hätte an meinen Besuch gedacht, der nun im Wohnzimmer auf mich warten musste und wie unhöflich das war.
An diesem Abend verhielt ich mich anders und das war genau das was es einfach machte für sie und für mich. Meine Tochter brauchte in einer solchen Situation mich und meine volle Aufmerksamkeit frei von jeglichen Erwartungen, frei von selbst auferlegten Zwängen.
Einschlafen kann schwer sein, wenn wir es als schwer ansehen. Wenn es für uns ein Thema ist, wenn wir gewisse Vorstellungen haben, die dann nicht erfüllt werden, wird das Einschlafen eine Qual. Wir halten uns an etwas fest, was keinem hilft. Wenn ich loslasse und mich auf die Situation einlasse, bedeutet das nicht zwingend das es schneller geht, es bedeutet das es leichter geht.
Auch heute braucht meine Tochter ab und an mehr Zeit - auch wenn es nicht mehr so oft ist wie früher. Heute gebe ich ihr diese Zeit. An manchen Abenden singe ich hundert Wiederholungen eines Liedes oder ich singe 10 verschiedene Lieder mit jeweils etlichen Wiederholungen. Doch heute finde ich es nicht mehr anstrengend. Wenn ich selbst zu müde bin, ihr vorzusingen, oder einfach aus welchen Gründen auch immer nicht kann, dann sage ich ihr das und singe eben nicht. Trotzdem bin ich für sie da und erwarte nichts von ihr bis sie eingeschlafen ist.
Seit dem Tag als ich den Rat annahm, der so offensichtlich vor mir lag, geniesse ich das Zubettbringen in vollen Zügen. Ich habe keine Angst mehr vor dem Abend, bin nicht mehr genervt oder gestresst, weil meine Erwartungen nicht erfüllt werden. Für mich ist das Zubettbringen ein liebevolles, nähespendendes Ritual, das ich in vollen Zügen liebe.
Von Herzen
Tanya
Du kennst die Schwierigkeiten rund um das Einschlafen und möchtest das es leichter wird. Gern schaue ich mir das Thema mit Dir gemeinsam an und finde für Dich Deinen Weg los zu lassen. Persönlich oder in einem Skypegespräch berate ich Dich gern.
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Vero (Sonntag, 21 Januar 2018 22:55)
Es ist so schön wenn es plötzlich funktioniert und klick gemacht hat. Das Thema "Einschlafen" finde ich sehr spannend weil es mich persönlich auch manchmal betrifft. Es fällt mir doch zuweilen schwer einzuschlafen. Danke für den Artikel! Liebe Grüße Vero
TanYa (Dienstag, 23 Januar 2018 12:32)
Danke liebe Vero